Beratungen zu Risiko und Sicherheit
Fest steht, die Menschheit lebte noch nie in einer so sicheren Zeit wie jetzt. Die Lebenserwartung der Menschen war (ausser in biblischen Zeiten) noch nie so hoch. Trotzdem verunsichern Gewalt-
akte, die aus der Anonymität heraus in den Alltag explodieren. Entsprechend werden die Gescheh-
nisse in den Zeitungen kommentiert. Meist verbunden mit der Forderung nach mehr Sicherheit, nach mehr Kontrolle. Verschiedenste Experten monieren eine Unfähigkeit wahlweise der Regierung, der Verwaltung oder der Sicherheitskräfte. Das ist ein normaler und wohlbekannter Prozess.
Jaques Derrida begründet diesen Prozess in seinem Büchlein «Von der Gastfreundschaft» so: «Überall dort, wo das *Zuhause* (chez soi) verletzt wird, wo jedenfalls eine Verletzung als
solche empfunden wird, ist eine privatisierende, familialistische, ja – wenn wir den Kreis noch
weiter ausdehnen – ethnozentrische und nationalistische und somit virtuell fremdenfeindliche Reaktion vorauszusehen: Diese richtet sich aber nicht gegen den Fremden als solchen, sondern paradoxerweise gegen die anonyme (der Sprache oder Religion wie auch der Familie oder Nation fremde) technische Macht, die mit dem *Zuhause* die traditionellen Bedingungen der Gastfreund-
schaft bedroht.»
Facebook schreibt über seine Philosophie: «Sicherheit ist ein Unterhaltungsthema. Das Thema Sicherheit erfordert einen fortwährenden Dialog zwischen Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, Unternehmen und den Menschen, welche die Produkte und Dienstleistungen nutzen.
Wir sollten das Thema Sicherheit immer im Gespräch halten, damit wir die richtigen Entscheid-
ungen treffen können, egal wo wir uns aufhalten.»

Ich will an dieser Unterhaltung teilnehmen und etwas über Risiko und Sicherheit nachdenken. Verschiedene Fragen können sich stellen.
In was für einen Kontext muss Sicherheit gestellt werden? Ist Sicherheit eine Grenze oder eine Voraussetzung für Freiheit? Manche hielten es für gut, die Zügel zu lockern und ein paar Prinzipien über Bord zu werfen. Unter welchen Umständen braucht es mehr Sicherheit und wann reicht es sich gewiss zu sein? Welche Nebenwirkungen sind bei mehr Freiheit, welche bei mehr Sicherheit zu erwarten? Welche Methoden helfen uns Sicherheit zu erarbeiten? Und wie kommt es, dass es Drachentöter gibt? Was bringt es Risiken einzugehen? Die Antworten sind abhängig beispielsweise von der Frage, ob der Vorrang beim Individuum oder beim Kollektiv liegt und was sich aus der jeweiligen Naturzustandskonzeption ableiten lässt. Die Ansicht zur Entstehung von Gefahren durch das Handeln von Individuen beruht offenbar auf der jeweilig vertretenen Handlungstheorie, die beschreibt, wie Verhaltensweisen zustande kommen. Dagegen sind Gefahren für die staatliche Sta-
bilität stets eng mit soziologischen Einschätzungen verbunden. Und es scheint auch wesentlich
zu sein aus welcher Position heraus geschaut wird.


vlnr: Drachenauge, Phönixauge, Affenauge, Schildkrötenauge, Elefantenauge, Elsternauge, Löwenauge und Tigerauge. (aus der chinesischen Enzyklopädie «San Cai Tuhui» von 1607)

Erkennbar ist, dass Annahmen über die gemeinsame Verletzbarkeit von Subjekten und Objekten erhebliche Konsequenzen für das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit haben. Der Grad der Verletzlichkeit liegt nicht fest, sondern ist auch Resultat von Denkmodellen und gesellschaftlichen Einschätzungen und Haltungen.
Die Modellabhängigkeit der Antworten auf das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit relativiert aktuelle Antworten und verdeutlicht die vielfachen Positionen, die eine Gesellschaft in dieser Frage beziehen kann. Besonders deutlich wird das in den USA, wo ein sehr ambivalentes und von Traditionen beladenes Verhältnis zu Justiz, Selbstjustiz und Lynchjustiz besteht. Es lohnt sich beispielsweise «Mystic River» von Clint Eastwood unter diesem Aspekt zu betrachten.


Still von Mystik River etwa bei 2h 03’; Link zum Trailer

Gibt es eine Möglichkeit den Themenkreis Risiko und Sicherheit strukturiert zu bearbeiten? Bei der Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz gehen wir nach dem Schema STOP vor, um Sicherheit zu schaffen. Von den im Risikomanagement vorgesehenen Analysemethoden, könnte die Delphi-
methode geeignet sein, Ansätze zu finden, wie die Sicherheit erhöht werden kann. Denkbar ist auch mit Hilfe von einem Ishikawadiagramm eine Auslegeordnung zu erstellen. Vielleicht in einer etwas freieren Form. So wie es René Daniëls in einigen seiner Bilder gemacht hat.


René Daniëls: Frühlingsblust 1987

Aus der Soziologie würde vielleicht die Aktionsforschung geeignete Lösungsansätze liefern. Aus
den Managementmethoden würde sich vielleicht die Organisationsentwicklung eignen, passende Entwicklungen einzuleiten. Die Systemtheorie könnte helfen all die Faktoren zusammenzutragen,
die zu Gewissheit und Sicherheit oder eben zu Angst führen. Um aber voranzukommen müsste
ein Wille vorhanden sein, die Probleme gemeinsam zu lösen. Derzeit scheinen aber alle Zeichen
auf abschotten zu deuten und damit die Kluften in den Gesellschaften und zwischen den Gesellschaften weiter zu vergrössern.

Exkurs Taxonomie
Ordnung ist das halbe Leben. Wenn wir uns in der Welt bewegen versuchen wir alles einzuordnen, zu taxieren. Dabei hat jeder sein Ordnungssystem. In unserer westlichen Welt sind wir dabei
sehr geprägt von den Arbeiten der Enzyklopädisten wie Diderot, Voltaire und Rousseau, aber auch von den Arbeiten Linnés. Mit dieser Ordnung hat Jorge Luis Borges in einem Essay gespielt, weil
er bemerkt hat, dass John Wilkins in der 14th Encyclopedia Britannica nicht mehr aufgeführt war. Wilkins versucht Ordnung in die Welt der Wörter zu bringen indem er eine Universalsprache entwarf. Er erreichte dabei vieles, aber er kam natürlich auch an Grenzen. Um das zu beleuchten machte Borges ein fiktives Beispiel und verortete es in China.

Chinesische Taxonomie für Tiere:
a) Tiere, die dem Kaiser gehören
b) einbalsamierte Tiere
c) Gezähmte Tiere
d) Milchschweine
e) Sirenen
f) Fabeltiere
g) herrenlose Hunde
h) in diese Gruppierung gehörende
i) die sich wie Tolle gebärden
j) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind
k) und so weiter
l) die den Wasserkrug zerbrochen haben
m) die von Weitem wie Fliegen aussehen

Wenn man dann ein bisschen darüber nachdenkt, so ist dann manche Kategorie gar nicht mehr so abwegig. *dem Kaiser gehören*, sozusagen Hochwild. *einbalsamierte Tiere* in den Naturkunde-
museen zu bestaunen. *gezähmte Tiere* gleich Haustiere. Und es zeigt die Probleme einer taxono-
mischen Ordnung, wenn etwas dann in einer Kategorie Platziert ist, wird es schwierig, wenn es
auch noch in eine andere gehört. Katz und Hund sind Karnivoren, obwohl wir wissen, dass sie auch Gras fressen. Und von den Pflanzenfressern werden auch Käfer und Schnecken mitgefressen. Mit anderen Worten, Taxonomien machen scheinbar klare Kategorien, sie schaffen also Ordnung, aber durch diese Objektivierung geht das Subjekt verloren. Es kommt dazu, dass es in unserer immer vernetzteren Welt auch immer weniger Sinn macht Information zu kategorisieren. Hierzu vielleicht dieses Video: Information Revolution

Doch zurück zu Risiko und Sicherheit. Die öffentliche Sicherheit wird oft mit Überwachung und Kontrolle gleichgesetzt, es gibt aber auch Ansätze die Gesellschaft, die Gemeinschaft zu pflegen. Gemeinsame Werte bringen Sicherheit und Orientierung. Vielleicht haben Ethikkommissionen
derart Konjunktur, weil derzeit so vieles Fraglich ist. Die Differenz zwischen dem Gesetz und dem realen Verhalten scheint immer noch am Wachsen zu sein, da die aktuelle Befindlichkeit ein eben-
so wichtiger Massstab ist, wie die gemeinsamen Festlegungen. Die symbolischen Ordnungen sind mittlerweile sehr parzelliert. Entsprechend haben Unternehmenskulturen Hochkonjunktur.


Hanten mit Matoi und Halter

In den japanischen Feuerwehren gab es den Halter des Matoi. Der Halter des Matoi entschied welche Häuser brennen, wie gross das Feuer ist, woher der Wind weht und wo das Feuer real-
istisch gestoppt werden kann. Diese Haltelinie war sehr wichtig für den Einsatz und kluge Ent-
scheidungen brachten dem Halter des Matoi entsprechend Ehre. Der Matoi war ein Symbol und
der Einsatzleiter. Leider fehlen heute weitgehend gemeinsam anerkannte Symbole. Und viele gemeinsame Symbole sind von den Marketingabteilungen so fleissig benutzt, dass sie kaum mehr zur symbolischen Ordnung der Gewissheit beitragen können. Umso mehr muss das Gespräch geführt werden. Das gemeinsame Gespräch soll ausloten, welche Sicherheiten und welche Freiheit-
en uns wichtig sind. Kurz wir müssen Risikokompetent werden. «Risikokompetente Menschen verstehen, dass man Risiken eingehen muss, wenn es Fortschritt geben soll.», so erklärt es Gerd Gigerenzer in einem Interview im Tagesanzeiger (online am 08.05.2015).

So verstanden heisst «Beratungen zu Risiko und Sicherheit» im Gespräch bleiben und festgelegte Bilder und Ansichten zu hinterfragen. Gerne begleite ich sie in diesem komplexen Thema. Ich freue mich auf ihre Anfrage. Nehmen sie Kontakt auf E-Mailadresse