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Die Analysemethode „Bowtie“ als Modell

Wir handeln in der unendlichen Gegenwart. Täglich fällen wir Entscheide. Leonardo Padura schreibt in einem seiner Havanna-Krimis: „Es ist schrecklich, die Vergangenheit zu kennen und dennoch
in der Lage zu sein, auf die Zukunft einzuwirken.“ René Daniëls hat diese Idee in vielen seiner Bild-
er als dreiteiliges Panel dargestellt. Besonders schön ist die Arena in seinem Bild „De slag om
the twintigste eeuw“1 dargestellt. Ein Bowtie (oft auch Bow-Tie) über einem aufgewühlten Meer.


Bildrechte bei Stichting Pictoright

Man kann diesen Bowtie als Triptychon lesen, als Modell für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In jeden Teil projizieren wir unsere Interpretation der Welt. Wir versuchen mit
unserem Wissen aus der Vergangenheit, in der Gegenwart Entscheidungen zu treffen für
die Zukunft. Seit Jahrtausenden holen sich Menschen, bei einer Entscheidung, durch
mantische Rituale Unterstützung. Das geschieht zum Beispiel durch die Interpretation von
Naturereignissen, von Sternenkonstellationen, von Weissagungen oder in Form von Krisensitzungen. In unserer Zeit werden oft Methoden der Risikoanalyse benutzt, um Wahr-
scheinlichkeiten für die Zukunft zu berechnen. Womit ich natürlich nicht sagen will, dass Risikoanalysen Hokuspokus sind. Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass es auch mit
der besten Analysemethode nicht möglich ist, in die Zukunft zu schauen. Es ist nur
möglich Wahrscheinlichkeiten und Folgen zu evaluieren. Oder um Pessoas letzte Notiz zu
zitieren: „I know not what tomorrow will bring“. Statistiken sind zwar eine grosse
Hilfe, um Zuverlässigkeit oder Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, aber manchmal schaffen
sie eine nur scheinbare Sicherheit.

Der Bowtie ist in der ISO 31010 erwähnt und wurde wohl in Australien (University of Queens-
land) entwickelt. Systematisch eingesetzt wurde die Methode aber erst in den 90er Jahren
bei Shell nach Piper Alfa. Die Risikoanalysemethode wird gerne als Kombination von Ursachen-
baum und Folgenbaum (Fault & Event Tree) beschrieben. Das heisst die Methode eignet
sich sehr, um einen speziellen Event genauer in den Fokus zu nehmen. Es liegt in der Natur
der Sache, dass eine Kombination von Ursachenbaum und Ereignisanalyse sehr komplex
wird. Es kommt dazu, dass diese Analysemethode dazu tendiert, das lineare Denken zu unter-
stützen. Es ist eine interessante Methode, denn sie ermöglicht, sowohl vorbeugende
Barrieren und Schutzmassnahmen zu ergreifen, wie auch abfedernde Vorkehrungen vorzu-
bereiten. Grafisch eine einfache Darstellung:



Es geht bei dieser Art von Analyse gerne vergessen, dass Ursachen und Wirkungen auch unter-
einander wirken. Also beispielsweise, der Stillstand eines Zuges, kann durch einen Stromaus-
fall verursacht sein. Ist der Stromausfall generell, sind die Kommunikation und die Steuerung des Zuges gestört, oder gar unmöglich und andererseits stehen auch die meisten andern Züge still.
Da haben die verschiedenen Folgen durchaus auch aufeinander Wirkungen. Es ist bei dieser Metho-
de sehr wichtig, welcher Event untersucht wird. Es ist sogar möglich, dass im Laufe der Analyse der Event neu formuliert werden muss.

Der Bowtie hat den prognostischen Vorteil, dass nicht nur Risiken betrachtet werden können, so-
ndern beliebige Events. Das könnte interessant sein, wenn Ziele ein Thema sind. Welches Ziel
soll erreicht werden, was muss zur Zielerreichung zur Verfügung stehen, was hat die Zielerreich-
ung für Folgen?

Das Leben ist unübersichtlich. Tag für Tag prasseln üble Nachrichten und kuriose Fortschrittsmel-
dungen gleichzeitig auf uns nieder. Und wir fragen: „Müssen wir uns dafür interessieren?“ Oder
wie es der Prophet Joel (3.14) formuliert: "Multitudes, multitudes in the valley of decision.“2 In dieser Welt sind Statistik und Inkommensurabilität3 keine gangbaren Wege um zu Lösungen zu kommen. Vielleicht hilft es, sich hier ein biologischeres Modell des Bowtie vor Augen zu halten.
So wie der Stoffwechsel nahezu alle vom Körper aufgenommen Stoffe abbaut, verwertet und in einer ungeheuren Vielzahl wieder ausscheidet.



Gerne helfe ich ihnen bei ihren Fragestellungen. Nehmen Sie Kontakt auf: E-Mailadresse

1 Die Schlacht um das zwanzigste Jahrhundert

2 Ich nehme hier den englischen Text wegen des Wortes „Multitudes“. Cicero benutzte Multitudo um zu diskutieren, wie man aus einer Menge zu Gemeinsamkeit kommt. Das ist ein Aspekt, der nahelegt eine Problemanalyse im Team zu machen, weil in jeder Analyse auch Wissen und Sinn generiert wird.

3 Nicht vergleichbare Daten, ungleiche Bedeutungen oder differente Paradigmen